Für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung
Nationaler Normenkontrollrat
NKR-Stellungnahme Nr. 4857 vom 10. Februar 2020 an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemäß § 6 Absatz 1 des Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKR-Gesetz)
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.
Jährlicher Erfüllungsaufwand: | 403.000 Stunden (10,1 Millionen Euro) |
Einmaliger Erfüllungsaufwand: | 712.000 Stunden (17,8 Millionen Euro) |
Jährlicher Erfüllungsaufwand: | 87.000 Euro |
Einmaliger Erfüllungsaufwand: | 926.000 Euro |
Bund | |
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Jährlicher Erfüllungsaufwand: | 197 Millionen Euro |
Einmaliger Erfüllungaufwand: | 399 Millionen Euro |
Länder | |
Jährlicher Erfüllungsaufwand: | 10 Millionen Euro |
Einmaliger Erfüllungsaufwand: | 16 Millionen Euro |
'One in one out'-Regel | Im Sinne der ‚One in one out‘-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein „In“ von 87.000 Euro dar. Das „In“ wird außerhalb dieses Regelungsvorhabens kompensiert. |
Evaluierung | Die Grundrente wird bis 2025 evaluiert. |
Ziele: | Evaluierung der Zielerreichung der Grundrente, darunter:
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Kriterien: |
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Datengrundlage: | Datengrundlage sind bestehende Statistiken der beteiligten Behörden. Zudem schafft das Grundrentengesetz neue Statistikquellen, um die genannten Wirkungen evaluieren zu können. |
Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Der NKR hat im Rahmen seiner eigenen Anhörung den Eindruck gewonnen, dass nicht alle möglichen Optionen für eine bürokratieärmere Umsetzung der Grundrente ernsthaft geprüft wurden. Die Grundrente wird insbesondere im Jahr der Einführungen erheblichen zusätzlichen Erfüllungsaufwand - auch im Vergleich zur geschätzten Auszahlungssumme - vor allem bei der Deutschen Rentenversicherung auslösen. Für eine weniger aufwändige und zielgenauere sowie rechtssichere Option zur Würdigung der Arbeitsleistung von Personen mit niedrigem Einkommen im System der gesetzlichen Rente wäre eine frühzeitige Einbindung und Berücksichtigung der Erfahrung der Praktiker notwendig gewesen. Die verfügbare Verwaltungsexpertise wurde im Fall der Grundrente nicht ausreichend genutzt. Ein Zeitraum von nur wenigen Tagen für die Prüfung eines solch wichtigen und verwaltungsintensiven Vorhabens ist das Gegenteil besserer Rechtsetzung. Die Vorgehensweise bei diesem Vorhaben reiht sich ein in die wachsende Anzahl der politischen Vorhaben, bei denen die Fristen nicht beachtet werden und eine angemessene Beteiligung von Betroffenen und Verwaltungsexperten nicht mehr stattfindet. Das Ziel der Schaffung eines möglichst unbürokratischen Verfahrens für Versicherte und die Deutsche Rentenversicherung wird aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates verfehlt. Von daher macht der Normenkontrollrat hinsichtlich der nicht ausreichenden Prüfung bürokratieärmerer Vollzugsvarianten im Rahmen seines Mandats Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf geltend. |
Der Koalitionsausschuss hat am 10. November 2019 beschlossen
Die Grundrente soll laut Koalitionsbeschluss
Mit dem Gesetzentwurf soll dieser Beschluss umgesetzt werden.
Versicherte, die
und
können mit der Grundrente einen Zuschlag in der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Höherwertung ihrer erworbenen Entgeltpunkte erhalten.
Dabei soll eine kurze Gleitzone von 2 Jahren dafür sorgen, dass auch Versicherte mit mindestens 33 Jahren an Grundrentenzeiten einen Grundrenten-Zuschlag erhalten können. Eine kurze, wirksame Gleitzone beim Einkommensfreibetrag soll dafür sorgen, dass Einkommen oberhalb des Freibetrags nicht von einer harten Abbruchkante betroffen sind. So sollen Einkünfte, die diese Freibeträge übersteigen, zu 40% angerechnet werden.
Voraussetzung für die Grundrente ist eine umfassende Einkommensprüfung, die ergibt, dass die Einkünfte unterhalb bestimmter Freibetragsgrenzen liegen (Alleinstehende: 1.250 Euro, Paare: 1.950 Euro). Zur Einkommensprüfung werden das zu versteuernde Einkommen (zvE), der steuerfrei gestellte Anteil der Rente und alle Kapitalerträge zugrunde gelegt. Rentnerinnen und Rentner, die bereits die Grundsicherung im Alter beziehen, erhalten künftig einen Freibetrag von 100 Euro sowie 30 Prozent ihrer darüberhinausgehenden gesetzlichen Rentenansprüche bis höchstens 50 Prozent (derzeit 212 Euro) der Regelbedarfsstufe 1. Durch die Einführung eines Freibetrags im Wohngeld soll erreicht werden, dass der Effekt der Besserstellung durch eine höhere Rente nicht durch eine Kürzung des Wohngeldes neutralisiert wird. Ähnliches gilt für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und den fürsorgerischen Leistungen der Sozialen Entschädigung, wo die Einführung von Freibeträgen für eine Besserstellung der Zielgruppe sorgt.
Die unbürokratische und bürgerfreundliche Ausgestaltung der Grundrente beziehungsweise der Einkommensprüfung soll durch einen automatisierten Datenaustausch zwischen den Finanzbehörden und der Rentenversicherung geschehen. Auf Seiten der Verwaltung, schwerpunktmäßig auf Seiten der Deutschen Rentenversicherung Bund, entsteht durch die Umsetzung der Grundrente in den Jahren 2020/21 sowie dauerhaft ein hoher Verwaltungsaufwand, der sich insbesondere aus folgenden Gründen ergibt:
Bislang war es bei Rentenreformen (außer bei der sog. Mütterrente) üblich, gesetzliche Neuregelungen nur auf Neuzugänge anzuwenden. Die Entscheidung, die Regelungen zur Grundrente auch auf alle Bestandsrentner anzuwenden, führt insbesondere im ersten Jahr zu sehr hohem Erfüllungsaufwand bei der Deutschen Rentenversicherung. Dies ergibt sich durch die Anzahl von circa 25 Millionen zu prüfenden Fällen.
Insbesondere bei Personen, die zwischen 1992 und 2020 in Rente gegangen sind, müssen deren eigentlich geklärte Rentenkonten ein weiteres Mal, und zwar Monat für Monat, geprüft werden. Dabei müssen die meist nicht elektronisch vorliegenden Daten der Bestandsrentner individuell daraufhin geprüft werden, dass die Leistungsvoraussetzungen auf Basis neuer Legaldefinitionen erfüllt sind. Für diese Prüfung der im Gesetz neu definierten Grundrentenzeiten liegen nach Aussagen der Deutschen Rentenversicherung keine elektronischen Daten im Detail vor, weshalb diese Prüfung manuell vorgenommen werden muss. Auch die Einbeziehung aller Rentenarten, also auch zum Beispiel Hinterbliebenen-, Erwerbsminderungs- und Waisenrente erhöht den Aufwand der Deutschen Rentenversicherung erheblich.
Die Einkommensprüfung, die laut Gesetzentwurf der Bundesregierung unbürokratisch für Bürger und Verwaltung ausgestaltet werden soll, wird nach jetzigen Schätzungen erheblichen zusätzlichen Erfüllungsaufwand verursachen. So schätzt die Deutsche Rentenversicherung im automatisierten Verfahren mit einer Abbruchquote von 20 Prozent. Das bedeutet, dass diese Fälle manuell geprüft und weiterverarbeitet werden müssen. Für Rentner, die im Ausland leben und in Deutschland nicht bzw. beschränkt steuerpflichtig sind, kann grundsätzlich keine automatisierte Einkommensprüfung stattfinden, da der deutschen Finanzverwaltung keine oder nur unvollständige Daten zum versteuerten Einkommen vorliegen. In diesen Fällen müssen einerseits die betroffenen Rentner ausländische Einkommensnachweise beibringen, als auch die Rentenversicherung diese manuell prüfen.
Die im Vergleich dazu geringe Belastung des Bürgers entsteht durch die Mitwirkungspflicht bei der Prüfung von Kapitaleinkünften und grundrentenrelevanten Einkünften, die von Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Wohnaufenthalt im Ausland erzielt wurden.
Der Normenkontrollrat setzt sich seit Jahren dafür ein, dass bei der Erarbeitung wichtiger, komplexer Gesetzesvorhaben die Expertise von Praktikern angemessen berücksichtigt wird. Die verfügbare Verwaltungsexpertise wurde im Fall der Grundrente nicht ausreichend genutzt. Ein Zeitraum von nur wenigen Tagen für die Prüfung eines solch wichtigen und verwaltungsintensiven Vorhabens ist das Gegenteil besserer Rechtsetzung.
Die Vorgehensweise bei diesem Vorhaben reiht sich ein in die wachsende Anzahl der politischen Vorhaben, bei denen die Fristen nicht beachtet werden und eine angemessene Beteiligung von Betroffenen und Verwaltungsexperten nicht mehr stattfindet.
Diese Voraussetzungen erschweren es auch dem Normenkontrollrat, seinen gesetzlichen Auftrag, die Bundesregierung beim Bürokratieabbau und besserer Rechtsetzung zu unterstützen, zu erfüllen.
Auch aus diesem Grund hat der Normenkontrollrat am 4. Februar im Rahmen seines Mandats eine Anhörung von hochrangigen Vertretern aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium der Finanzen und der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt. Daraus hat der Normenkontrollrat den Eindruck gewonnen, dass nicht alle Potentiale für eine verwaltungsärmere Umsetzung ausgeschöpft wurden.
Auf Grund der kurzen Beteiligungsfrist können hier nur einige Optionen benannt werden, deren Prüfung der Normenkontrollrat im weiteren Gesetzgebungsprozess dringend empfiehlt:
Insgesamt ergibt sich im Einführungsjahr für die Deutsche Rentenversicherung Bund ein Personalbedarf von rechnerisch circa 3.350 Vollbeschäftigteneinheiten im Einführungsjahr der Grundrente und circa 1.670 Vollbeschäftigteneinheiten jährlich. Es ist unsicher, ob die Deutsche Rentenversicherung Bund diesen Personalbedarf vor dem Hintergrund des aktuellen Arbeitsmarktes fristgemäß und in der notwendigen Qualität rekrutieren kann.
Bürgerinnen und Bürger
Für Bürgerinnen und Bürger ergibt sich ein jährlicher Erfüllungsaufwand von 403.000 Stunden. Ein Großteil davon entfällt mit 312.000 Stunden auf die jährlich durchzuführende Rückmeldung von Kapitalerträgen im Rahmen der Einkommensprüfung (davon Bestand: 258.000 Stunden, 516.000 Fälle, Einzelfall 30 Minuten; Neuzugang: 54.000 Stunden, 107.000 Fälle, Einzelfall 30 Minuten).
Weitere 35.000 Stunden ergeben sich daraus, dass Grundrentenempfänger in der Grundsicherung jährlich den aktuellen Rentenbescheid vorlegen und Formulare ausfüllen müssen (70.000 Fälle, Einzelfall 30 Minuten).
Weitere 33.000 Stunden ergeben sich daraus, dass durch die Einführung eines Freibetrags im Wohngeld dauerhaft mehr Erst- und Weiterleistungsanträge erwartet werden (21.000 Fälle; Einzelfall circa 1,5 Stunden).
Etwa 11 Prozent der circa 1,6 Millionen Rentenbezieher im Ausland (circa 176.000 Rentenempfänger) haben nach Schätzungen die erforderlichen Grundrentenzeiten. Da die Einkommensprüfung bei den Auslandsrentnern aber nicht automatisiert ablaufen kann, wird die Grundrente an die Auslandsrentner erst dann ausgezahlt, wenn sich aus den auf Anfrage der Deutschen rentenversicherung Bund hin eingereichten Einkommensnachweisen ergibt, dass alle Voraussetzungen für den Bezug der Grundrente erfüllt sind.
23.000 Stunden an laufendem Aufwand ergeben sich deshalb für potentiell Grundrenten-Berechtigte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland durch den erforderlichen Nachweis des vergleichbaren ausländischen Einkommens (davon 80 Prozent ohne weiteres Einkommen: 2.300 Stunden beziehungsweise 1 Minute im Einzelfall durch die Beantwortung; 20 Prozent mit anderen Einkünften: 21.000 Stunden beziehungsweise 35 Minuten im Einzelfall).
Der einmalige Erfüllungsaufwand für Bürger liegt bei 712.000 Stunden.
Davon entstehen 515.000 Stunden durch die Verpflichtung der Bestandsrentner, binnen 3 Monaten nach Erhalt des Bewilligungsbescheids zur Grundrente eventuelle Kapitalerträge an die deutsche Rentenversicherung zu melden (1,03 Millionen Rentner, 30 Minuten im Einzelfall).
Weitere 140.000 Stunden entstehen durch die Einführung des Freibetrages in der Hilfe zum Lebensunterhalt, in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt als fürsorgerische Leistung der Sozialen Entschädigung. Grund dafür ist, dass ca. 70.000 Personen mit Einkünften knapp oberhalb der Grundsicherung durch die Erhöhung des Freibetrags in die Grundsicherung rutschen (Antragstellung 85 Minuten im Einzelfall, Vertrautmachen mit der gesetzlichen Regelung und Beratung 35 Minuten im Einzelfall).
Etwa 19.000 Stunden einmalig ergeben sich durch die Vorlage des Nachweises beim zuständigen Leistungsträger, aus dem sich ergibt, dass die nötigen 33 Jahre an Grundrentenzeiten erfüllt sind und der Freibetrag gewährt werden kann. Dazu gehören Bestandsfälle in den folgenden Fürsorgesystemen:
38.000 Stunden an einmaligem Aufwand (Umstellungsjahr) ergeben sich deshalb für potentiell Grundrenten-Berechtigte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland durch den erforderlichen Nachweis des vergleichbaren ausländischen Einkommens (davon 80 Prozent ohne weiteres Einkommen: 14.000 Stunden beziehungsweise 6 Minuten im Einzelfall durch das Vertrautmachen mit der Vorgabe und die Beantwortung; 20 Prozent mit anderen Einkünften: 24.000 Stunden beziehungsweise 40 Minuten im Einzelfall).
Wirtschaft
Der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft liegt bei 87.000 Euro. Dieser entsteht mit 80.000 Euro fast vollständig daraus, dass Kreditinstitute gegenüber den Rentenversicherungsträgern Auskünfte zu Kapitalerträgen der Grundrentenberechtigten liefern sollen (Stichprobengröße Umstellungsjahr: circa 7.000 Fälle, 14 Minuten pro Einzelfall, Lohnkosten 50.30 Euro). Weitere 7.000 Euro ergeben sich daraus, dass durch die Einführung eines Freibetrags im Wohngeld dauerhaft mehr Erst- und Weiterleistungsanträge erwartet werden und die Antragsteller von den Vermietern die erforderlichen Auskünfte zur Miete einholen.
Der einmalige Erfüllungsaufwand der Wirtschaft liegt bei ca. 926.000 Euro. Dieser entsteht vollständig daraus, dass Kreditinstitute gegenüber den Rentenversicherungsträgern Auskünfte zu Kapitalerträgen der Grundrentenberechtigten liefern sollen (Stichprobengröße Umstellungsjahr: 65.000 Fälle, 17 Minuten pro Einzelfall, Lohnkosten 50.30 Euro).
Verwaltung (Bund, Länder/Kommunen)
Bund
Der jährliche Erfüllungsaufwand der Verwaltung auf Bundesebene wird geschätzt auf 197 Millionen Euro. Davon entfallen 94 Prozent (185,8 Millionen Euro) auf die geplante Einkommensprüfung und Einkommensanrechnung sowie durch die geplante Einbeziehung der Kapitalertragssteuer.
Zudem entfallen ca. 4,6 Millionen Euro auf Auskunft und Beratung hinsichtlich der Grundrente. Etwa 3,5 Millionen Euro jährlicher Erfüllungsaufwand entfallen darauf, die Versicherungskonten der Neuzugänge dahingehend zu überprüfen und aufzubereiten, dass die für die Gewährung des Zuschlags an Entgeltpunkten erforderlichen Grundrenten- und Grundrentenbewertungszeiten vorliegen.
Der einmalige Erfüllungsaufwand der Verwaltung auf Bundesebene wird geschätzt auf 399 Millionen Euro.
Etwa die Hälfte des Erfüllungsaufwand (circa 201 Millionen Euro) auf die geplante Einkommensprüfung und Einkommensanrechnung sowie durch die geplante Einbeziehung der Kapitalertragssteuer (Sachbearbeitung) und die IT-Umstellung Die größten Posten darunter sind:
Zudem ergibt sich ein Viertel des Aufwands (98,2 Millionen Euro) aus der Notwendigkeit, die Versicherungskonten der Bestandsrentner dahingehend zu überprüfen und aufzubereiten, dass die für die Gewährung des Zuschlags an Entgeltpunkten erforderlichen Grundrenten- und Grundrentenbewertungszeiten vorliegen.
Ebenfalls ein Viertel des einmaligen Erfüllungsaufwands (98 Millionen Euro) ergibt sich durch Auskunft und Beratung im Jahr der Umstellung (circa 70 Millionen Euro) sowie durch die Bearbeitung von Widersprüchen gegen den Rentenbescheid (28 Millionen Euro).
Verwaltungsaufwand Bund | Einführungsjahr (einmalig) | Folgejahre (laufend) |
Einkommensüberprüfung / Einkommensanrechnung Bestandsfälle Inland und Ausland | 116.770.000 Euro | 101.500.000 Euro |
Einkommensüberprüfung / Einkommensanrechnung Neuzugänge Inland und Ausland | 0 Euro | 5.724.000 Euro |
Überprüfung und Aufbereitung der Versicherungskonten | 98.110.000 Euro | 3.500.000 Euro |
Anrechnung auch von Kapitalerträgen | 74.752.000 Euro | 74.752.000 Euro |
Auskunft und Beratung | 70.000.000 Euro | 4.600.000 Euro |
Widersprüche | 28.030.000 Euro | 1.170.000 Euro |
Auswertung der durch den Kontenabruf ermittelten Auskünfte von Kreditinstituten, Stichprobenhafte Überprüfung der Kapitalerträge sowie Neuberechnung/ Bescheidung der Grundrente | 4.100.000 Euro | 4.100.000 Euro |
Programmierarbeiten zur Berechnung der Grundrente | 3.400.000 Euro | |
Programmierarbeiten für den Datenaustausch zwischen DRV Bund und Finanzverwaltung | 2.000.000 Euro | |
Druck von Bescheiden und Porto Grundrente | 1.800.000 Euro | 1.900.000 Euro |
Druck von Bescheiden und Porto andere Leistungen | 200.000 Euro | 70.000 Euro |
Stichprobenhafter Kontenabruf beim BZSt | 132.000 Euro | 132.000 Euro |
Statistisches Bundesamt | 6.200 Euro | |
Gesamtaufwand Verwaltung Bund (gerundet) | 399.000.000 Euro | 197.000.000 Euro |
Länder und Kommunen
Der jährliche Erfüllungsaufwand der Verwaltung auf Ebene der Länder und Kommunen wird auf 10 Mio. Euro geschätzt. Dieser entsteht mit 8,5 Mio. Euro jährlich zum überwiegenden Teil durch die Bearbeitung der Grundsicherungsbescheide von Rentnern in ca. 200.000 Fällen.
Der einmalige Erfüllungsaufwand der Verwaltung auf Ebene der Länder und Kommunen wird auf 16 Mio. Euro geschätzt. Dieser entsteht zum überwiegenden Teil in der Einführung von Freibeträgen in den verschiedenen Systemen der Sozialen Sicherung (höhere Sachbearbeitungskosten aufgrund von mehr Neufällen und Neuentscheidungen im Bestand). Zudem entfallen ca. 3,1 Mio. Euro auf die Umstellung von IT-Verfahren.
Länder und Kommunen | Einführungsjahr (einmalig) | Folgejahre (laufend) |
Einführung eines Freibetrags in der Grundsicherung für Arbeitssuchende | 5.900.000 Euro | 60.000 Euro |
Einführung eines Freibetrags in der Hilfe zum Lebensunterhalt und in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbminderung | 5.500.000 Euro | 0 Euro |
Einführung eines Freibetrags für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII | 8.500.000 Euro | |
Umstellung IT-Verfahren | 2.000.000 Euro | |
Anbindung der Finanzverwaltung an das Datenaustausch-verfahren/ initiale Umsetzung der Datenlieferung durch die Länder & Betrieb | 1.000.000 Euro | 300.000 € |
Wohngeldbehörden (Einführung Freibetrag - Erstanträge und Neubewilligungen) | 1.300.000 Euro | 800.000 Euro |
Wohngeldbehörden (Einführung Freibetrag - IT-Anpassung) | 130.000 Euro | |
Freibetrag in der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt (SER) | 8.000 Euro | 5.000 Euro |
Gesamtaufwand Verwaltung Länder/Kommunen (gerundet) | 15.838.000 Euro | 9.665.000 Euro |
Eine gründliche Prüfung aller Sachverhalte und Annahmen war dem NKR innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich. Auf der Grundlage ihm bisher verfügbarer Informationen weist der NKR jedoch abschließend auf Folgendes hin:
Der geschätzte Erfüllungsaufwand ist vom tatsächlichen Eintreffen vieler optimistischer Annahmen und dem Gelingen einer IT-Zusammenarbeit vor allem zwischen der Finanzverwaltung und der Rentenversicherung Bund bei einem anspruchsvollen, völlig neuartigen Projekt mit einer Reihe ungeklärter Rechtsfragen abhängig. Verschiedene Analysen der Verteilungswirkungen der Grundrente bei der Zielgruppe der langjährig gesetzlich rentenversicherten Geringverdiener (z.B. Deutschen Rentenversicherung Bund, DIW, Bertelsmann Stiftung) weisen Widersprüche mit einigen Angaben des Ressorts auf. Der NKR begrüßt, dass diese Effekte bis zum Jahr 2025 untersucht werden sollen.
Für eine weniger aufwändige und zielgenauere sowie rechtssichere Option zur Würdigung der Arbeits-, Erziehungs- und Pflegeleistung von Menschen mit unterdurchschnittlichen Einkommen im System der gesetzlichen Rente wäre mehr Zeit für fachliche Beratung und Prüfung notwendig gewesen.
Die Zielerreichung der Grundrente soll gemäß den Vorgaben des Evaluierungskonzepts der Bundesregierung bis zum 31. Dezember 2025 evaluiert werden. Folgende Fragen stehen dabei im Fokus:
Indikatoren sind z.B.:
Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand plausibel und nachvollziehbar dargestellt.
Der NKR hat im Rahmen seiner eigenen Anhörung den Eindruck gewonnen, dass nicht alle möglichen Optionen für eine bürokratieärmere Umsetzung der Grundrente ernsthaft geprüft wurden. Die Grundrente wird insbesondere im Jahr der Einführungen erheblichen zusätzlichen Erfüllungsaufwand - auch im Vergleich zur geschätzten Auszahlungssumme - vor allem bei der Deutschen Rentenversicherung auslösen. Für eine weniger aufwändige und zielgenauere sowie rechtssichere Option zur Würdigung der Arbeitsleistung von Personen mit niedrigem Einkommen im System der gesetzlichen Rente wäre eine frühzeitige Einbindung und Berücksichtigung der Erfahrung der Praktiker notwendig gewesen.
Die verfügbare Verwaltungsexpertise wurde im Fall der Grundrente nicht ausreichend genutzt. Ein Zeitraum von nur wenigen Tagen für die Prüfung eines solch wichtigen und verwaltungsintensiven Vorhabens ist das Gegenteil besserer Rechtsetzung. Die Vorgehensweise bei diesem Vorhaben reiht sich ein in die wachsende Anzahl der politischen Vorhaben, bei denen die Fristen nicht beachtet werden und eine angemessene Beteiligung von Betroffenen und Verwaltungsexperten nicht mehr stattfindet. Das Ziel der Schaffung eines möglichst unbürokratischen Verfahrens für Versicherte und die Deutsche Rentenversicherung wird aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates verfehlt.
Von daher macht der NKR hinsichtlich der nicht ausreichenden Prüfung bürokratieärmerer Vollzugsvarianten im Rahmen seines Mandats Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf geltend.