„Haben wir schon immer so gemacht“: Dass eingetretene Pfade nicht immer zu besseren Lösungen führen, zeigt sich auch in der Gesetzgebung. Gerade beim digitalen Wandel ist es so gut wie unmöglich, die Arbeit am Rechtstext an den Beginn des Rechtsetzungsprozesses zu stellen. Beim Modellprojekt „Bezahlen mit Daten“ soll die inhaltliche Konzeptentwicklung der Rechtsetzung vorangestellt werden.
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Gute Gesetze sind wirksam und effizient, sie sind vollzugstauglich, „digital ready“ und verständlich. In anderen Worten: Sie sind gut konzipiert und elegant designt. In der täglichen Gesetzgebungsarbeit kann man beobachten, dass dieser Anspruch eher selten eingehalten werden kann. Woran liegt das? In Deutschland wird ein neues Gesetz in aller Regel an Hand eines kompletten und oft komplexen Textentwurfs diskutiert. Änderungen und Kompromisse blähen den Entwurf auf, noch bevor er die erste politische Entscheidungsebene erreicht. Der klare Blick auf Inhalt, Wirksamkeit und Folgen der Neureglung kann dadurch verstellt werden. Ist diese Gesetzgebungstechnik noch zeitgemäß? Sollte man nicht - bevor der erste Paragraf geschrieben wird - Alternativen darstellen, Zusammenhänge und Abhängigkeiten visualisieren, (digitale) Vollzugsprozesse modellieren und die Auswirkungen der Neuregelung abschätzen? In Großbritannien, der Schweiz oder auch bei der EU-Kommission ist längst bewährte Praxis, dass erst die Konzeption und dann der Text entsteht. Warum nicht auch in Deutschland? – fragt der NKR und hat deshalb vorgeschlagen, diese Regelungstechnik an und mit einem aktuellen Regelungsgegenstand zu testen.
Worum geht es? Eine Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ - zusammengesetzt aus Fachleuten mehrerer Bundesländer und des BMJV – hat das Zivilrecht auf seine Leistungsfähigkeit für den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft untersucht. Dabei ist u.a. das sog. „Bezahlen mit Daten“ in den Blick geraten. Das Schlagwort „Bezahlen mit Daten“ bezeichnet das - sehr erfolgreiche – Geschäftsmodell der Betreiber sozialer Netzwerke. In diesem Geschäftsmodell lässt der Netzwerkbetreiber seine Leistung nicht in Geld, sondern über die Einwilligung des Nutzers in die kommerzielle Verwertung seiner persönlichen Daten vergüten. Die Landesjustizministerinnen und –minister haben dem Bundesgesetzgeber empfohlen, dafür einen Rechtsrahmen zu schaffen. Der NKR schließt sich der Empfehlung an. Er hat dem federführenden Bundesland NRW vorgeschlagen, die schuldrechtliche Ausgestaltung des „Bezahlens mit Daten“ zum Modellprojekt für die neue Technik „Erst der Inhalt, dann der Paragraf“ zu machen. Eine Arbeitsgruppe aus Justizministerien interessierter Länder, dem BMJV und dem NKR soll hierfür das Konzept erstellen.
Das Modellprojekt soll erste Erfahrungen mit der für Deutschland noch „neuen“ Vorgehensweise liefern. Es geht darum, eine überfällige Debatte über den Rechtsetzungsprozess anzustoßen und ihn fit für die geänderten Anforderungen der heutigen Zeit zu machen. Bessere, kostengünstigere und vollzugsfreundliche Gesetze sind das Ziel.