NKR-Stellungnahme Nr. 4500 vom 30. August 2018
an das an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)
gemäß § 6 Absatz 1 des Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKR-Gesetz)
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.
I. Zusammenfassung
Bürgerinnen und BürgerBürokratiekosten/Zeitaufwand - Entlastung:
| -400 Stunden (-10.000 Euro) |
Bürokratiekosten/Sachaufwand - Entlastung:
| -2.400 Euro
|
WirtschaftBürokratiekosten – Belastung:
| 325.000 Euro
|
Bürokratiekosten - Entlastung:
| -1.018.000 Euro
|
Entlastung im Saldo:
| -693.000 Euro
|
Verwaltung der LänderJährlicher Erfüllungsaufwand:
| 18.500 Euro
|
Weitere PrüfkriterienKriterium
| Ergebnis
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Weitere Kosten (Mindereinnahmen) | Absenkung Umlagesatz Modernisierung Szenario 1: 2.300.000 Euro Szenario 2: 4.400.000 Euro Einführung Kappungsgrenze Mieterhöhung: 4.000.000 Euro Beschränkungen der Mieterhöhung nach einer Gebäudemodernisierung belasten beziehungsweise entlasten Vermieter und Mieter in derselben Höhe.
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'One in one out'-Regel | Im Sinne der ‚One in one out‘-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "Out“ von 693.000 Euro dar. |
Evaluierung
| Die Neuregelungen werden nach fünf Jahren (Absenkung des Umlagesatzes) beziehungsweise nach acht Jahren (übrige Vorgaben) evaluiert. |
Ziele:
| Mit der Evaluierung soll festgestellt werden:
- ob sich die Mieter häufiger als bisher auf die Regelungen zur zulässigen Miethöhe berufen,
- ob und in welchem Maß die Absenkung der Modernisierungsumlage zur Entlastung der Mieter führt sowie die Häufigkeit und den Umfang von Modernisierungsmaßnahmen beeinflusst,
- ob der Schadensersatzanspruch und der Ordnungswidrigkeitentatbestand ein "Herausmodernisieren“ verhindert.
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Kriterien: | Evaluierungskriterien sind die Entwicklungen am Wohnungsmarkt und in der gerichtlichen Spruchpraxis. |
Datengrundlage: | Wohnungsmarktrohdaten; Rechtspflegestatistik (Bundesamt für Justiz); Befragung der relevanten Marktakteure (Mieter/Vermieterseite) |
KMU-Betroffenheit | Der überwiegende Teil der Wohnungsgeber in Deutschland sind Kleinvermieter, die das Regelungsvorhaben betrifft. |
Ergebnis der Prüfung durch den NKR--Nationaler NormenkontrollratDas Ressort hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar abgeschätzt und dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf. |
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II. Im Einzelnen
Das Regelungsvorhaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ist Teil der im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode vereinbarten "Wohnraumoffensive“. Es soll einerseits Wirkungsdefizite der sogenannten Mietpreisbremse beseitigen und andererseits einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern bei der Gebäudemodernisierung bewirken.
Zulässige Miethöhe bei Vertragsbeginn ("Mietpreisbremse“)
Die seit 2015 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerte Mietpreisbremse soll in "Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ wirken. In diesen Gebieten darf die Miete zu Vertragsbeginn höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen (Zu-lässigkeitsgrenze).
Die Mietpreisbremse gilt nicht für Wohnungen, die
- nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurden,
- der Vermieter vor einer Neuvermietung umfassend modernisiert hat.
Ferner kann die Zulässigkeitsgrenze bis zur Höhe
- des von einem vorherigen Mieter gezahlten Betrages (Vormiete),
- des nach einfacher Modernisierung gesetzlich erlaubten Mietpreises
überschritten werden.
- Auskunftspflicht des Vermieters
Während diese Ausnahmen von der Mietpreisbremse bisher ohne weitere Voraussetzungen galten, stellt das Regelungsvorhaben hierfür jetzt Bedingungen auf: Künftig kann sich der Vermieter auf eine Ausnahme nur berufen, wenn er den Mieter hierüber vor Vertragsschluss unaufgefordert und in Textform informiert. Erfüllt er diese Bedingung nicht, greift die Mietpreisbremse, und zwar solange, bis der Vermieter die Auskunft formgerecht nachgeholt hat. - Rügeerleichterung für den Mieter
Mietzahlungen, die nach den Regeln der Mietpreisbremse überhöht sind, kann der Mieter zurückverlangen. Voraussetzung hierfür ist eine Rüge, die dem Vermieter vor Zahlungsfälligkeit zugegangen sein muss. Nach bisherigem Recht muss die Rüge die Tatsachen enthalten, auf denen die Beanstandung der Miethöhe beruht. Dieses Erfordernis soll zukünftig entfallen. Der Mieter soll eine nach seiner Ansicht zu hohe Miete dem Vermieter nur noch in einfacher Weise mitteilen ("rügen“) müssen.
Mieterhöhung nach Modernisierung
Die Regeln, nach denen der Vermieter Modernisierungskosten an den Mieter weitergeben kann, sollen geändert werden.
- Absenkung des zulässigen Umlagesatzes
Nach bisherigem Recht kann die Jahresmiete grundsätzlich um elf Prozent der für die einzelne Wohnung aufgewendeten Modernisierungskosten erhöht werden. Das Regelungsvorhaben senkt diesen Umlagesatz auf acht Prozent ab. Die Absenkung soll zeitlich auf fünf Jahre und örtlich auf Gebiete beschränkt sein, in denen die Wohnungsversorgung der Bevölkerung zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. - Kappungsgrenze
Zusätzlich zur Absenkung des Umlagesatzes will das BMJV eine (absolute) Kappungsgrenze neu in das BGB einführen: Unabhängig vom Standort der modernisierten Wohnung soll die Miete innerhalb von sechs Jahren um maximal drei Euro pro Quadratmeter Wohnfläche steigen dürfen. - Vereinfachtes Mieterhöhungsverfahren
Auf der Angebotsseite soll das Regelungsvorhaben Anreizhindernisse der Vermieter für Modernisierungen beseitigen. Hierzu wird für Modernisierungskosten von nicht mehr als 10.000 Euro pro Wohnung ein vereinfachtes Mieterhöhungsverfahren eingeführt, das insbesondere Kleinvermieter begünstigen soll. In dem vereinfachten Verfahren kann der Instandhaltungsanteil pauschal mit 30 Prozent ausgewiesen werden und ist der Vermieter von der Berechnung der künftigen Betriebskosten befreit. Darüber hinaus müssen Vorteile zinsverbilligter oder zinsloser Darlehen aus öffentlichen Haushalten nicht von den Kosten für die Modernisierungsmaßnahme abgezogen werden und kann der Mieter sich nicht auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Härtefalls berufen. Macht der Vermieter von der neuen Möglichkeit Gebrauch, sind für die nächsten fünf Jahre grundsätzlich weitere modernisierungsbedingte Mieterhöhungen ausgeschlossen. - "Herausmodernisieren“ - Vermutungsregelung
Unter "Herausmodernisieren“ versteht der Regelungsentwurf die Ankündigung oder Durchführung baulicher Veränderungen in missbräuchlicher Weise beziehungsweise in der Absicht, den Mieter zur Beendigung des Mietverhältnisses zu veranlassen. Mit einem solchen Verhalten verletzt der Vermieter seine Vertragspflichten und begründet gegebenenfalls Schadensersatzansprüche des Mieters. Der Regelungsentwurf führt einen gesetzlichen Vermutungstatbestand ein, unter dessen Voraussetzungen die Pflichtverletzung angenommen wird, sofern der Vermieter sie nicht widerlegen kann. Hierdurch soll das "Herausmodernisieren“ verhindert und den Mietern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtert werden. - "Herausmodernisieren“ – Bußgeld
Neben der Beweiserleichterung soll ein neuer Bußgeldtatbestand, der über die gesetzliche Regelgrenze für Ordnungswidrigkeiten (1.000 Euro) (§ 17 Absatz 1 OWiG) sehr deutlich hinausgeht, das "Herausmodernisieren“ verhindern. Entsprechendes Verhalten soll künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro belegt werden können.
II.1 Erfüllungsaufwand
Bürgerinnen und Bürger
Die neue Verpflichtung des Vermieters, den Wohnungsinteressenten vor Vertragsschluss unaufgefordert über Ausnahmen von der Mietpreisbremse zu informieren, entlastet die Bürgerinnen und Bürger von der Geltendmachung entsprechender Auskunftsansprüche. Hieraus ergibt sich eine Zeitersparnis von rund 200 Stunden (5.000 Euro) (angenommener Stundensatz 25 Euro) sowie von 1.900 Euro Brief- und Portokosten (Sachkosten). Diese Ersparnis hat das BMJV ebenso gut nachvollziehbar ermittelt, wie die Entlastung der Mieter durch den Wegfall der Begründungspflicht für eine Beanstandung der Miethöhe (200 Stunden beziehungsweise 5.000 Euro (angenommener Stundensatz 25 Euro) sowie 500 Euro Sachkosten).
Wirtschaft
Die Erfüllung der neuen Informationspflicht belastet die Wirtschaft mit 325.000 Euro. Der Belastung gegenüber steht eine geringfügige Entlastung der Vermieter dadurch, dass sie künftig mit weniger Auskunftsverlangen konfrontiert sein werden (6.000 Euro).
Die Verfahrensvereinfachungen für Modernisierungen bis zu 10.000 Euro werden nach gut nachvollziehbarer Annahme des BMJV in rund 40.000 Anwendungsfällen greifen. Während bisher alle Vermieter jede Modernisierungsankündigung und die anschließende Mieterhöhungserklärung mit einem Zeitaufwand von zusammen 84 Minuten bearbeiten mussten, reduziert sich dieser Aufwand in den Vereinfachungsfällen auf 36 Minuten. Bei Anwendung der Lohnkostentabelle Wirtschaft (31,60 Euro/mittleres Qualifikationsniveau) ergibt sich eine Entlastung um 25,30 Euro pro Fall, bei 40.000 Anwendungsfällen demnach um 1.012.000 Euro.
Verwaltung
Bei der Verwaltung der Länder entsteht aus dem neuen Bußgeldtatbestand in geschätzt 750 Fällen zusätzlicher Bearbeitungsaufwand von 18.500 Euro, den das Ressort nachvollziehbar ermittelt hat.
II.2 Weitere Kosten
Methodisch als Weitere Kosten sind die Einnahmeverluste zu behandeln, die sich auf Vermieterseite durch die neuen Vorgaben zur Mieterhöhung nach Modernisierung ergeben.
Die Einnahmeverluste aus der Absenkung des Umlagesatzes hat das BMJV mit Hilfe des Statistischen Bundesamtes (StBA) in zwei Szenarien gut nachvollziehbar abgeschätzt: Die Schätzung geht für beide Szenarien von 13.800 Modernisierungsfällen sowie davon aus, dass jeweils ein Drittel der Vermieter ohne die neuen Vorgaben Mieterhöhungen von neun beziehungsweise zehn beziehungsweise elf Prozent vorgenommen hätten. Unter der Annahme durchschnittlichen Modernisierungsaufwands je Wohnung von 8.000 Euro (Szenario 1) beziehungsweise 16.000 Euro (Szenario 2) ergeben sich Mindereinnahmen von rund 2,3 Millionen Euro beziehungsweise rund 4,4 Millionen Euro jährlich.
Die Einführung der absoluten Kappungsgrenze führt zu Mindereinnahmen der Vermieter von rund 4 Millionen Euro. Unter der Annahme, dass sich die neue Regelung in 30.000 über alle Wohnungsgrößen verteilten Modernisierungsfällen auswirkt, hat das Statistische Bundesamt (StBA) die Differenz zwischen der bisher möglichen Mieterhöhung und der neuen Kappungsgrenze anhand durchschnittlicher Investitionskosten geschätzt. Im Saldo ergaben sich Beträge zwischen -1.000 und -1.200 Euro pro Fall, in der Summe der einzelnen Größenklassen rund 4 Millionen Euro.
Weitere Kosten entstehen auch bei der Justiz. Das BMJV schätzt die Anzahl zusätzlicher Gerichtsverfahren auf jährlich 750 (Schadensersatz wegen Miethöhe/Vermutungsregel) sowie 185 (Bußgeld).
II.3 ‚One in one Out‘-Regel
Im Sinne der ‚One in one out‘-Regel der Bundesregierung stellt der jährliche Erfüllungsaufwand der Wirtschaft in diesem Regelungsvorhaben ein "Out“ von rund 693.000 Euro dar.
II.3 Evaluierung
Die Neuregelungen sollen nach fünf Jahren (Absenkung des Umlagesatzes) beziehungsweise nach acht Jahren (übrige Vorgaben) evaluiert werden. Ziel ist es, festzustellen, ob sich die Mieter häufiger als bisher auf die Regelungen zur zulässigen Miethöhe berufen, ob und in welchem Maß die Absenkung der Modernisierungsumlage zur Entlastung der Mieter führt sowie die Häufigkeit und den Umfang von Modernisierungsmaßnahmen beeinflusst und ob der Schadensersatzanspruch und der Ordnungswidrigkeitentatbestand das "Herausmodernisieren“ verhindert. Die Erreichung dieser Ziele will das BMJV über die Entwicklungen am Wohnungsmarkt und in der gerichtlichen Spruchpraxis überprüfen (Evaluierungskriterien). Grundlage sollen Wohnungsmarktrohdaten, die Rechtspflegestatistik (Bundesamt für Justiz) und die Befragung relevanter Marktakteure auf Mieter- und Vermieterseite sein.
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III. Ergebnis
Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar ermittelt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem Regelungsentwurf.
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7. September 2018